Die Situation der Hebammen in Deutschland wird immer schlechter. Die Zustände in den Krankenhäusern sind katastrophal und immer mehr selbständige Hebammen geben ihren Beruf auf, da nach Zahlung der hohen Versicherungsbeiträge kaum noch ein vernünftiges Gehalt übrig bleibt. Wie sieht es in Spanien aus? Sind die Zustände dort besser als in Deutschland?
Mein persönlicher Eindruck
Erst einmal muss man wissen, das die ganzheitliche Betreuuung einer Hebamme in Spanien eine Privatleistung ist, d.h. wenn ich mir eine Hebamme wünsche, die meine gesamte SSW und Geburt begleitet, muss dies selbst bezahlt werden und wird nicht von der Versicherung (auch nicht von der privaten) übernommen. Im Krankenhaus gibt es Beleghebammen, die die Mütter vor, während und nach der Geburt betreuen, es ist aber nicht immer die gleiche Hebamme.
Im Januar 2018 wurde meine Tochter in Barcelona geboren. Die Geburt war toll, ich hatte das Gefühl, dass immer genug Hebammen da waren. Das Team im Krankenhaus war super und alles lief so ab, wie ich es mir gewünscht hatte. Vorher hatte ich mich bereits gut über das Hospital de Sant Pau informiert. Es ist das einzige Krankenhaus in Barcelona, in dem eine natürliche Geburt in Steißlage möglich ist. Dies hatten wir auch schon im Geburtsvorbereitungskurs gehört, dann gab es noch 2 Termine nach der Geburt, aber Hausbesuche in den ersten Tagen sind in Spanien nicht vorgesehen. Die Frage ist, ob meine Erfahrung die Realität im Land widerspiegelt. Spanien hat mit 9,2 Geburten pro 1000 Personen eine ähnlich niedrige Geburtenrate wie Deutschland (8,6; Stand 2017). Gleichzeitig liegt die Quote der Hebammen mit 35 pro 100.000 Frauen niedriger als in Deutschland, wo auf die gleiche Anzahl Frauen 44 Hebammen kommen.
Hausgeburten in Spanien
Nur 0,1% der Geburten in Spanien sind Hausgeburten, im Jahr 2016 waren es nur ca. 600 in ganz Spanien (Quelle: https://www.madridiario.es/437918/mujeres-dan-luz-casa-nacimientos). Die Geburt in den eigenen vier Wänden wird in Spanien weder von der gesetzlichen noch von der privaten Krankenversicherung übernommen, man kann jedoch für 2.000€ eine Hebamme für eine Hausgeburt privat* buchen (z.B. hier https://www.immallevadora.com/castellano/precios/). Der Preis schließt die Besuche zur Geburtsvorbereitung, die Geburt und die Nachsorge mit ein, also ein Rundumpaket. Es gibt mehrere Vereine, die sich dafür einsetzen, dass auch eine Hausgeburt über die jeweilige Versicherung abgerechnet werden kann, bis jetzt jedoch ohne Erfolg.
Hebammen und Doulas als Privatleistung
Generell beschränken sich die Leistungen bei einer Krankenhausgeburt, egal ob privat oder gesetzlich versichert, auf den Geburtsvor-und Nachbereitungskurs sowie natürlich auf die Geburt selbst. Es gibt keine Hausbesuche nach der Geburt bzw. nur in Ausnahmefällen und man trifft bei der Geburt im Krankenhaus auf die Hebamme, die eben grade Dienst hat. Wer seine eigene Hebamme wünscht kann diese Leistung privat zahlen*. Ein brisantes Thema sind in Spanien zur Zeit die „Doulas“, Frauen ohne anerkannte Ausbildung, die andere Frauen in der Schwangerschaft und Stillzeit beraten und auf Wunsch auch bei der Geburt anwesend sind. Die privaten Dienste der Doulas sind oft günstiger als professionelle Hebammen, ohne Ausbildungsnachweis ist jedoch fraglich, wie kompetent die Damen im einzelnen sind. Dies kann dann gefährlich werden, wenn eine Doula ärztliche Ratschläge gibt oder sogar eine Hausgeburt begleitet. Hier wird ein Kurs als Doula angeboten (http://doulasmallorca.com/formacion-doulas-mallorca/); an 10 Wochenenden soll man lernen, wie man eine Frau bei der Geburt unterstützen kann – eine Hebamme hat eine 6-jährige Ausbildung absolviert. Wenigstens wird in diesem Kurs darauf hingewiesen, Geburten nur in Krankenhäusern oder in Anwesenheit einer „echten“ Hebamme zu begleiten.
Mangel an Hebammen in ländlichen Regionen
Als meine Tochter zur Welt kam, waren 2 tolle Hebammen an meiner Seite, obwohl an diesem Tag alle Zimmer auf der Geburtenstation belegt waren. In Barcelona gibt es keinen Hebammenmangel, dies bestätigten mir die Hebammen in unserem Krankenhaus und auch die anderen Frauen in der Stillgruppe. Niemand musste lange warten oder wurde gar weggeschickt. Wenn man in einer Großstadt wie Madrid oder Barcelona wohnt ist man also gut betreut, vielleicht sogar besser als in Deutschland. Auch wenn die Hebammen nach der Geburt keine Hausbesuche machen gibt es Stillgruppen, die man ohne Termin besuchen kann und Hebammen in den Ärztehäusern, die man auch kurzfristig aufsuchen kann. Grade die gesetzlichen Krankenhäuser haben eine sehr gute Betreuung für die Allerkleinsten, das merkt man auch beim Kinderarzt, wo die maximale Wartezeit bis jetzt 10 Minuten betrug. Leider gibt es viel zu wenige Hebammen in den ländlichen Regionen, wie z.B. dieser Artikel aus Andalusien belegt (http://cadenaser.com/emisora/2018/05/07/radio_ubeda/1525690439_143088.html). In der Region gibt es in einigen Kleinstädten gar keine Hebammen zur Vor-und Nachsorge von Geburten, Grund ist die teure Ausbildung der Hebammen, die von den jeweiligen Bundesländern bezahlt werden muss.
Häufigkeit der Kaiserschnitte
In Deutschland werden häufig Kaiserschnitte gemacht, weil diese höher abgerechnet werden können. In unserem Krankenhaus in Barcelona ist die Geburtenstation laut unserer Hebamme Anna die rentabelste Station des Krankenhauses. Die Geburten werden hoch vergütet, gleichzeitig erhalten die Hebammen im Vergleich zu Ärzten nur ein niedriges Gehalt. Sie ist zufrieden und arbeitet gerne in ihrem Krankenhaus, sagt Anna. Leider greifen die Ärzte zu oft ein, wollen die Geburten beschleunigen und entscheiden sich für die Geburtszange o.ä. Wie ich schon in meinem Artikel Schwanger in Spanien berichtete, liegt die Kaiserschnittrate in den öffentlichen Krankenhäusern bei ca. 22%, in den privaten Krankenhäusern bei 37%. In Deutschland schwankt die Quote je nach Bundesland zwischen 30-38%, kann also mit den öffentlichen Krankenhäusern in Spanien nicht mithalten.
*privat heißt in diesem Fall aus eigener Tasche, eine private Krankenversicherung zahlt diese Leistung in Spanien nicht.
Anmerkung zum Versicherungssystem in Spanien: Jeder Bürger ist automatisch gesetzlich kranken versichert, man kann außerdem noch eine private Krankenversicherung zusätzlich abschließen, hat dann aber immer beide Versicherungskarten. Krankschreiben kann nur der gesetzliche Arzt, der einem je nach Wohnort zugeteilt wird. Es gibt getrennte Krankenhäuser und Ärztezentren für privat und gesetzlich versicherte Patienten. Die private Versicherung ist besonders zu empfehlen, wenn man z.B. unspezifische Schmerzen schnell abklären möchte. Wenn dahinter dann eine schwere Krankheit steckt, ist ein Wechsel zum öffentlichen Arzt angeraten.