Warum ich die negativen Beiträge zum Muttersein nicht mehr hören kann

Manchmal habe ich das Gefühl, seit dem Buch Regretting Motherhood ist eine Epidemie ausgebrochen. Die Krankheit der reuevollen Mütter, die nun endlich die Wahrheit sagen müssen darüber wie schrecklich sie ihr neues Leben mit Kind finden. Schlaflose Nächte, wunde Brustwarzen, die Karriere im Eimer usw. Die Gründe für ihre Reue nehmen kein Ende. Die Meinungsfreiheit in allen Ehren muss ich doch sagen, dass ich als baldige Mutter die negativen Beiträge zum Muttersein nicht mehr hören bzw. lesen kann. Und ich möchte hier niemanden angreifen, ich weiß es gibt Mütter die haben sogenannte „Schreikinder“ und die müssen einfach mal Dampf ablassen, das finde ich auch total ok!

Klar, lange Zeit war es so, dass Mütter sich nicht trauten, auch mal die negativen Seiten anzusprechen. Aber an manchen Tagen jagt mich auf Facebook ein negativer Artikel nach dem anderen. Ich lese sie auch schon nicht mehr, die reißerischen Titel, geschrieben von Müttern die sich das alles ganz anders vorgestellt hatten, viel „einfacher“.  

Foto von Milada Vigerova auf Unsplash

Dann frage ich mich, wie das sein kann. Ich muss mir seit dem Einsetzen meiner Periode anhören, dass Kinder zu haben kein Zuckerschlecken ist. Dass ein Kind viel Geld kostet. Dass es rund um die Uhr betreut werden muss. Dass man eventuell jahrelang nicht mehr durchschlafen kann…ich könnte endlos die Argumente meiner Lehrer, Eltern und Familie fortsetzen. Schaut man nun aber auf die Geburtenrate sieht man doch sofort, dass sich viele das Thema Kind ganz genau zu überlegen scheinen.

 

Die Generation der vorsichtigen Nestbauer

29,9 Jahre alt ist eine Mutter in Deutschland beim 1. Kind (Quelle: Statistisches Bundesamt), zum Vergleich 30,1 Jahre in Spanien (Quelle: Ipfe). Wer sich mit 30 Jahren für ein Kind entscheidet tut dies sicher nicht leichtfertig. Egal ob in Deutschland oder hier in Spanien, in meinem Bekanntenkreis entscheiden sich die meisten erst dann für ein Kind, wenn alles passt: 1. stabile Partnerschaft mindestens 1-2 Jahre mit reichlich Reisen, 2. mindestens 1-2 Jahre in einem Job, wo Gehalt und Bedingungen stimmen, 3. die passende Wohnung wird meist auch schon vorher bezogen.

Leider schaffen es viele bis 30 nicht, wollen lieber doch noch die Rundreise in Asien machen oder auf die Beförderung warten. Wenn dann mit 35 endlich der richtige Zeitpunkt da ist klappt es manchmal schon nicht mehr ohne medizinische Unterstützung. Auch mir selbst ging es da nicht anders, ich und mein Partner wollten einfach, dass alles passt und haben uns sehr viel mit dem Thema Elternsein auseinandergesetzt, bevor die Familienplanung überhaupt losging. Klar wäre ich gerne früher Mutter geworden, aber da waren noch zu viele Stimmen im Hinterkopf, dass eben noch nicht alles passte.

negative beiträge zum muttersein
Foto von Carl Heyerdahl auf Unsplash

Woher kommt die Reue?

Oder liegt der Knackpunkt vielleicht genau da? Das man das Leben nicht genau planen kann und schon gar nicht mit Kind? Setzt man die Erwartungen als späte Mutter zu hoch an, ist zu unflexibel und zu sehr an das aktive „alte“ Leben vor der Geburt gewöhnt? Ja, vielleicht ist es das und vielleicht werde ich diesen Artikel in einigen Monaten nochmal umschreiben, wenn ich selbst in der Endlosschleife von Windeln wechseln und Stillen gefangen bin.

Aber das Baby bereuen? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Es geht mir auch nicht um kurze Gedanken, die einem in besonders anstrengenden Situationen in den Kopf kommen. Jede Mutter hat doch auch das Recht, sich auf eine ruhige einsame Insel zu wünschen, wenn die Welt im Babyalltag mal wieder Kopf steht. Es geht mir eher um die Anhäufung von negativen Artikeln, die den Anschein erwecken, Muttersein wäre der Horror. Die Medien haben doch so viel Einfluss auf die Menschen und viele junge Frauen werden nun noch mehr verunsichert. Es kommt mir vor wie ein hässlicher Trend, „seid gewarnt vor den Kindern“.

Erwartungen (an sich selbst) runterschrauben

Das Buch Regretting Motherhood der israelischen Soziologin Orna Donath hat dazu beigetragen, dass sich plötzlich viele Mütter melden, die eigentlich doch lieber keine Kinder hätten. Die Störenfriedas sagen dazu: „Mütter müssen Übermenschen sein“. Aber liegt das Problem dann nicht bei den Müttern selbst? Können sie sich nicht distanzieren von den Meinungen Anderer und dem Druck der Gesellschaft? Ganz bewusst nicht Übermensch sein? Warum schaffen sie das auf Twitter aber nicht im realen Leben?

Vielleicht sollte man sich ein bisschen frei machen von den vielen Erwartungen an sich selbst. Statusdenken zurückschrauben. Wenn wir weniger verdienen, weil wir mehr für unsere Kinder da sind, haben wir vielleicht nicht mehr das neueste Handy und können auf Instagram (wahrscheinlich) keine tollen Fotos von Bergbesteigungen posten. Nach der Geburt passen wir vielleicht nicht mehr in unsere skinny Jeans und werden unsere Freunde viel weniger sehen. Vielleicht klappt das Stillen nicht und wir haben keine Zeit für Baby Led Weaning und geben statt dessen ein gekauftes Gläschen.

Ich habe mir vorgenommen, mir selbst da keinen Druck zu machen. Die Babyzeit ist doch nur so kurz und ich möchte sie genießen, mit allen Höhen und Tiefen. Möchte einfach an meinem Baby riechen und in diese neue Welt eintauchen. Ich bin zumindest mental auf Schlafentzug und Windelroutine eingestellt. Trotzdem kommt mir die baldige Babyzeit im Verhältnis zum Rest meines Lebens kurz vor. 34 Jahre lang war ich nur für mich da, konnte tun und lassen was ich wollte und habe es genossen und ab 60 wird es dann auch wieder so sein. Jetzt bin ich bereit für etwas Neues und möchte diesen Lebensabschnitt mit Baby entdecken und bevor es anfängt einfach mal positiv an die Sache rangehen. Nicht schon vorher ständig bombardiert werden von negativen Artikeln übers Muttersein.

Selbstbewusstsein stärken

Vielleicht würden weniger Frauen ihre Mutterschaft bereuen wenn sie nicht so oft das Gefühl hätten, nicht Allem gerecht werden zu können. Wenn sie sich nicht so oft als schlechte Mutter/Partnerin/Angestellte/Freundin fühlen würden. Ich staune schon was manche Mütter so schaffen und weiß, dass ich den gleichen Maßstab bei mir nicht ansetzen werde. Ich spreche von mehr Eigenliebe, liebe Mütter, und damit meine ich keine Instagram Bilder von gezeichneten Bäuchen direkt nach der Geburt. Ich spreche von der inneren Einstellung, an der man arbeiten sollte, um sich eben nicht schuldig zu fühlen, wenn man etwas für sich selbst tut. Kommentare einfach weglächeln, aufhören zu Vergleichen. Hilfe einfordern. Ihr habt es Euch verdient, diese Auszeit.

Geht es Euch auch manchmal so oder übertreibe ich? Wie findet Ihr die negativen Artikel zur Mutterschaft?

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