Die 7 merkwürdigsten Gebräuche für Babys in Spanien

Seit fast 11 Jahren wohne ich nun in Spanien und denke, ich kenne die kulturellen Unterschiede inzwischen ganz gut. Je mehr meiner spanischen Freundinnen Mütter wurden, desto mehr merkwürdige Dinge sind mir aufgefallen. Viele der Gebräuche sagen mir leider gar nicht zu, aber ich habe einen einfachen Trick gefunden mich aus der Affäre zu ziehen. Ich schiebe es darauf, dass ich Deutsche bin und sage dann, dass Dies oder Jenes bei uns eben nicht so gemacht wird, selbst wenn das manchmal gar nicht stimmt….

Hier also für Euch nun die 7 merkwürdigsten Gebräuche für Babys in Spanien:

1. Ohrlöcher stechen gleich nach der Geburt

Wer in Spanien ein Mädchen erwartet wird üblicherweise direkt nach der Geburt dem Kind Ohrlöcher stechen lassen, dieser Trend geht zwar langsam zurück, aber ich wurde bereits vor der Geburt von der Tante meines Mannes gefragt, ob Paula direkt Ohrringe bekommt. In den meisten Krankenhäusern kann man bereits auf dem Fragebogen zur Geburtsvorbereitung ankreuzen, ob die Ohrringe gleich gestochen werden sollen. Besonders ältere Damen denken trotz rosa Strampler, dass es sich um einen Jungen handelt, falls keine Ohrringe vorhanden sind und bei jedem Juwelier gibt es eine große Auswahl an winzigen Baby-Ohrringen. Ich habe mich natürlich dagegen entschieden, aus dem einfachen Grund, dass ich meinem Baby leider nicht erklären kann, warum es Schmerzen hat und denke, dass die Geburt an sich schon genug Trubel für unsere Kleine ist. Für mich ein absolut unverständlicher Trend, mir kommt es vor wie bei einem Kalb das gleich nach der Geburt gebrandmarkt wird.

2. Parfüm für Babys

Ja, ihr habt richtig gelesen. Nein, auch spanische Babys verströmen gleich nach der Geburt einen unwiderstehlichen Babyduft am Kopf, daran kann es also auch nicht liegen. Trotzdem wird man zur Geburt mit Baby-Parfüm überhäuft. Dieses gibt es neben Drogeriemärkten sogar in Apotheken, also anscheinend ein absolutes Muss?! Auch auf der „Bitte Mitzubringen“ Liste der Kinderkrippe ist es aufgelistet, das Babyparfüm. Der berühmteste Duft heißt Nenuco und wird gleich in der 750l Flasche verkauft. Für mich ein absolut überflüssiges Produkt, das nicht auf meiner Einkaufsliste steht. Babys riechen doch so wunderbar und brauchen ganz sicher noch kein Parfüm.

Nenuco Parfüm – besteht hauptsächlich aus Alkohol und anderen schaurigen Zutaten

3. Die ersten 2 Wochen mit dem Kind nicht rausgehen

Dieser traurige Brauch hält sich hier besonders im Winter. Die frischgebackenen Eltern bleiben die ersten 7-14 Tage mit Ihrem Kind zu Hause und gehen nicht an die frische Luft, das arme Kind könnte sich ja erkälten. In der Wohnung wird dann noch die Heizung voll aufgedreht damit es das Kleine auch schön warm hat. Wenn man überlegt, wie viel wärmer es hier in Spanien ist als in Deutschland kann man sich nur wundern. Jetzt im Januar sind tagsüber 15ºC und strahlender Sonnenschein, da lasse ich mir einen Spaziergang mit meinem Neugeborenen nicht nehmen, es sei denn es geht aus gesundheitlichen Gründen nicht.

4. Besucheransturm direkt nach der Geburt

Das gibt es vielleicht auch bei einigen Deutschen Familien, aber in Spanien kommt oft die ganze Familie nur Stunden nach der Entbindung oder sitzt sogar währenddessen direkt vor dem Kreissaal. Auch eine Freundin von mir rief neulich an, sie würde jetzt zu unserer Bekannten ins Krankenhaus fahren, da diese gerade ihr Kind bekäme und nicht auf Ihre Whattsapp-Nachrichten antworte. Sie mache sich Sorgen und wolle nach ihr sehen. Zum Glück konnte ich es ihr zusammen mir einer anderen Freundin noch ausreden. Das ist natürlich ein extremer Fall, aber in vielen Familien gehört es einfach zum guten Ton und gilt als schlichtweg unhöflich, den Besuch zu verweigern. Die spanischen Hebammen empfehlen sogar im Geburtsvorbereitungskurs so wenig Besuch wie möglich im Krankenhaus zu empfangen, trotzdem trauen sich viele jedoch nicht den Besuch zu verweigern oder auf später zu verschieben.

5. Baby jeden Tag baden

Schon seit ich denken kann hat mir meine Mutter gesagt, dass Babys nicht jeden Tag baden müssen. Wasser trocknet die empfindliche Babyhaut aus und zerstört den schützenden PH-Mantel. Und noch einmal, Babys riechen doch so gut, wenn Sie gestillt werden riecht nicht einmal die volle Windel sehr stark. Unsere Hebamme hat uns gesagt, dass wir unsere Kleine nur 1-2 Mal pro Woche baden sollen, die Käseschmiere wird nach der Geburt extra nicht abgewaschen, da sie wertvolle Bakterien enthält, die das Baby auf natürliche Weise schützen. Eine ausgelaufene Windel kann mit einem Waschlappen bereinigt werden, oder den Po einfach kurz unter fließendes 37ºC warmes Wasser halten. Erst wenn das Kind im Sandkasten spielt und sich wirklich schmutzig machen kann sollte man je nach Bedarf öfter baden.

Diese Frequenz löst bei den meisten Spanierinnen verständnislose Blicke aus. Ich kenne zur Zeit nur eine spanische Mutter, die ihr Kind nicht jeden Tag badet. Bei allen anderen wird täglich gebadet, natürlich mit Badeschaum, Seife und hinterher komplett eincremen. Viele Produkte aus der Apotheke sind mit „dermatologisch getestet“ beschriftet, die Produkte sind aber nicht Bio und enthalten oft Erdölderivate und andere unschöne Stoffe. Erst neulich zeigte mir eine Freundin den Wickeltisch, der voll mit Babykosmetik war, es hatte sogar eine eigene Gesichtscreme. Der Po wird natürlich auch nach JEDEM Windelnwechseln eingecremt, obwohl er gar nicht wund ist und die Windel alle 2h gewechselt wird. Ich selbst benutze eher wenig Kosmetik und denke, dass die Menge an Reizstoffen, die auf diese Weise an Babys Haut gelangt sicher nicht gut sein kann.

Foto von Janko Ferlič auf Unsplash

6. Kekse zum Frühstück

Es mag sein das manche Cornflakes, die kleine Kinder in Deutschland morgens so essen, auch nicht gesünder sind, aber in Spanien gibt es in vielen Haushalten gerne die typische Kombi Butterkekse mit Milch bzw. Cola-Cao, die spanische Variante von Kaba. Anleitung für ein typisches Frühstück eines Kleinkindes im Alter von 1-10 Jahren (wenn gewünscht noch länger):

Man nehme die Kekse und breche sie in den warmen oder kalten Kakao bis sich eine Paste bildet, die dann verspeist wird. Einfach Cola-Cao einrühren und Kekspackung aufreißen, schon ist das Frühstück fertig. 0% Vitamine und Ballaststoffe, 100% Zucker und Fett 🙁 und das jeden morgen.

Ein trauriges Frühstück, dass sicher nicht bei allen aber doch vielen spanischen Müttern Alltag ist. Natürlich gibt es auch hier sehr ernährungsbewusste Menschen, die Ihrem Kind nie dieses Frühstück zumuten würden. Viele andere haben die Keksmarke ersetzt, auf der Packung steht „für Kinder“ und „mit Vitaminen“, der Zuckergehalt ist jedoch der gleiche. Die Spanier vertrauen immer noch sehr stark auf die großen Marken und die Kontrolle durch den Staat, ohne sich gründlicher über Kalorien und Inhaltsstoffe der Lebensmittel zu informieren. Deshalb liegt die Quote der übergewichtigen Kinder weit höher als in Deutschland, bei den Jungen zwischen 5-17 Jahren sogar bei 33% (Quelle FAZ). Soviel zum Thema mediterrane Diät. Wenn ich manchmal mit Freundinnen bestimmte Themen anschneide z.B. das ich bestimmte Marken nicht nur für mein Kind, sondern generell nicht kaufe, stoße ich auch bei gebildeten Menschen auf Unverständnis und merke, dass Sie mir schlichtweg nicht glauben. Irgendwann erscheint es dann ganz groß in der Presse, dann werde ich auf Facebook unter dem Artikel etikettiert, haha! Ich halte mich inzwischen lieber zurück mit meiner Meinung und grinse vor mich hin.

Spanisches Kleinkinderfrühstück seit den 70ern, immer noch in Mode.

7. Keine festen Schlafenszeiten

Die meisten meiner Deutschen Mütter-Freundinnen sind sich einig: Mit festen Schlafens-und Esszeiten kann man gar nicht früh genug beginnen. Diese werden natürlich auch am Wochenende mehr oder weniger religiös eingehalten, auch wenn das bedeutet, dass das Kind bereits um 6 oder 7 Uhr wach ist. In Spanien fangen Schule, Arbeit und Kindergarten meist nicht vor 9h an, da das Kind also meist erst gegen 7.30h aufstehen muss kann es durchaus auch etwas später ins Bett gehen – so weit, so gut. Krass finde ich, dass viele Kleinkinder am Wochenende bis Mitternacht wach sind und in Restaurants mitgeschleppt werden bis die Eltern endlich nach Hause gehen. Übermüdete 3 jährige hängen schlafend in ihren Kinderwagen oder schießen schlimmstenfalls noch aufgedreht durch das Restaurant. Das machen sicher nicht alle spanischen Mütter, aber leider doch viele. Die Kinder meiner Nachbarin z.B., Alter 4J und 18 Monate,  gehen nie vor Mitternacht schlafen und stehen gegen 8.30h auf…. Eine gute Freundin von mir mit 2 Kindern ließ sich neulich beraten, da Ihre Kinder immer nörgelig waren und das zu Bett bringen ein Albtraum war. Tipp der Beraterin: feste Zeiten einhalten wann immer es geht, seitdem sie sich daran hält läuft es viel besser.

Der Hintergrund ist oft, dass die Eltern nichts verpassen wollen. Das Sozialleben hat in Spanien einen hohen Stellenwert, so müssen die Kinder eben mit, egal wie anstrengend das für sie wird.

Was sagt Ihr zu den Babytrends in Spanien? Findet Ihr einige der Gebräuche auch so merkwürdig wie ich? Ich freue mich über Eure Kommentare.

3 Kommentare zu „Die 7 merkwürdigsten Gebräuche für Babys in Spanien“

  1. Hallo. Ich habe deinen Bericht gelesen und mich darin absolut wiedergefunden obwohl ich das alles 10 Jahre früher erlebt habe.
    Es fehlt aber auch eine Auflistung der 10 positiven Dinge, die man hier mit Babys macht, die in Deutschland fehlen. Ich kann mich noch erinnern, wie entsetzt ich war als ich mit meiner damals noch wenige Monate alten Tochter nach deutschland gefligen bin und andere Mütter gesehen hatte die ihre Babys mit “Gläschenkost” fütterten. Das fand ich absolut schlimm. In Spanien wurde (damals?) viel wert auf selbst gekochtes Essen (Brei, und bloß kein süßer Brei!) gelegt.

  2. Hihi, die Keks-Manie hat mich hier in Barcelona auch geschockt, allerdings scheinen einige Schulen schon dagegen zu arbeiten. In.unserer Schule bekommen wir auf dem Zeignis tatsächlich auch bescheinigt, ein gesundes Frühstück (Vollkornbrot statt Kekse 😉 und täglich Obst) mitzugeben. Die Eltern werden per Schulnorm auch gebeten, keinen Süßkram mitzugeben. Trotzdem schleppen viele Kinder sogar Schokoadentafeln als Frühstück mit!

Kommentar verfassen

Nach oben scrollen